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Wahrhaft liberal ist immer auch wehrhaft liberal

(CC-BY-SA) Markus Winkler

Ein Gastbeitrag von Holger Hennig, @Hollarius erschienen auf der Bundes-Website.

Im Angesicht der in den Medien allgegenwärtigen Ereignisse, die in Paris einige Menschenleben kosteten, gibt es jede Menge vorschneller und teilweise reflexhafter Forderungen. Es gibt eine Menge Mitgefühl und Trauer. Im Angesicht so scheußlicher Taten sollten wir versuchen, einen politischen Kern zu finden.

Mein gesellschaftliches Ideal ist das eines offenen und freien Zusammenlebens. Will man das in politische Sprache übertragen, so wird man das »liberal« nennen. Ich gehe davon aus, dass Menschen und ihre Leben immer gleichwertig sind, dass niemand das Recht hat, andere Menschen als minderwertig zu bezeichnen, ja nicht mal das Recht hat, andere als minderwertig zu betrachten. Weil jeder Mensch eine Würde hat, die man nicht antasten darf, so könnte man mit dem Grundgesetz argumentieren. Oder einfach: Weil es nicht in Ordnung ist, sich über andere zu erheben.

Es gibt ein Gegenteil von Liberalität, und dieses Gegenteil kann man sehr schön unter dem Stichwort Supremacy zusammenfassen. Zur Supremacy gehört jede Menschenfeindlichkeit, die darauf beruht, dass manche Menschen von Natur aus »besser« sind als andere. Wir finden Supremacy ständig und überall, und wir sind selbst nie frei davon – was es natürlich nicht einfacher macht. Wir haben viele Namen dafür: Rassismus, Antisemitismus, Nationalismus, Sexismus, Islamophobie, Homophobie, Lookismus, Ableismus oder Fatshaming, und ich habe garantiert noch eine ganze Latte von Ausprägungen vergessen. Warum ist Supremacy das Gegenteil von liberal? Nun, weil es immer zu Herrschaft führt, zu sozialem Druck, zu Diskriminierung, und damit dazu, dass ein offenes und freies Zusammenleben unmöglich wird. Und es wird noch schlimmer: Denkt man die Ideen der Supremacy konsequent weiter, landet man zuerst bei der Sklaverei und am Ende gar in Auschwitz.

Supremacy ist die Triebfeder von Islamisten, die französische Kabarettisten und jüdische Supermarktkunden ermorden, Supremacy ist der Grund, warum Boko Haram Hunderte und Tausende in Nigeria ermordet. Islamismus ist wie jede religiös-fanatische Ausprägung immer davon überzeugt, die absolute Wahrheit zu besitzen und natürlich sind alle die, die dieser Wahrheit nicht gehorchen, nicht wert zu leben. Für die Menschen, die mit der Pegida spazieren gehen, sind alle Muslime und wahrscheinlich so ziemlich alle anderen Nichtdeutschen nichts wert. Die Terroristen von der Hamas denken so über Juden, rechtsradikale israelische Siedler denken so über Palästinenser. Supremacy ist der Grund, warum unsere Gesellschaft die Mauertoten mehr betrauert als die Toten des NSU und aller Nazianschläge der letzten Jahre, Supremacy ist der Grund, warum es die Gesellschaft hinbekommt, Tausende ertrinkende Flüchtlinge jedes Jahr im Mittelmeer einfach zu ignorieren. Neben wirtschaftlichen Interessen, und gar nicht so selten mit denen verbunden, ist es immer Supremacy, die Krieg und Massaker und Massenmord hervorruft. Supremacy als Ideologie heißt übrigens Faschismus.

Wenn wir als Liberale etwas ändern wollen, dann müssen wir wehrhaft sein. Wenn wir die Welt ein bisschen besser machen wollen, dann dürfen wir nicht in einen Scheißegal-Liberalismus verfallen, der allen menschenfeindlichen Hass mit Meinungsfreiheit deckt. Wir müssen uns darüber klar werden, dass es »Meinungen« gibt, die Menschen kaputt machen, die Herrschaft verlangen, die gegen alles stehen, was liberal ist. Wenn wir uns nicht dagegen wehren, dann überlassen wir dem die Führung, vor dem wir uns fürchten. Menschenfeindlichkeit führt zu Diktaturen, Geheimpolizei und Zensur. Sie sind die Zeichen der Supremacy.

Deswegen kann auch die Reaktion nach Bluttaten wie denen von Paris nur lauten: Wir halten ganz offensiv und wehrhaft die Fackel der Freiheit hoch! Wir stehen noch klarer und radikaler für eine offene Gesellschaft ein und tun weder Islamisten noch Pegida-Jüngern den Gefallen, nach mehr innerer Sicherheit zu rufen. Islamisten und Islamophobe sind sich nämlich in ihrem Ziel einig: einer Atmosphäre der Angst.

Wenn wir aber Freiheit statt Angst wollen, dann müssen wir auch aufstehen, einschreiten und laut jede Form der Supremacy in der Gesellschaft und in uns bekämpfen. Und dabei niemals in die Fallen treten, niemals selbst Menschen das Lebensrecht absprechen, auch wenn sie noch so menschenfeindliche Meinungen vertreten. Unser Feind ist Supremacy, unser Feind ist Menschenfeindlichkeit – nicht die anderen Menschen.

 

Holger twittert unter @Hollarius, bloggt unter hollarius.wordpress.com, podcastet unter carpenoctem.podspot.de und macht auch sonst noch so manches…

1 Kommentar zu “Wahrhaft liberal ist immer auch wehrhaft liberal

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