Beitrag erschienen auf der Bundes-Website.
Jeder Geflüchtete ist eine Chance
Wenn es eine Erkenntnis gibt, die sich aus der Flüchtlingsdebatte, wie aus den anderen letzten Krisen, ziehen lässt, dann ist es folgende: Politik des 20. Jahrhunderts ist für das vernetzte Zeitalter nicht geeignet. Die etablierten Parteien wissen weder, wie mit den vielen neuen Mitmenschen umzugehen ist, die ihr Glück im vielversprechenden globalen Norden suchen, noch wie sie auf die antidemokratischen Massen reagieren sollen, denen Deutschsein offensichtlich wichtiger ist als Menschlichkeit.
SPD und Union versuchen verzweifelt, den „besorgten“ Bürgern und Neonazis nach dem Mund zu reden, doch die spüren zwar Tag für Tag die drückende Last eines Systems, das sich selbst überlebt hat, sind aber in all der Alternativlosigkeit nicht in der Lage, eine bessere Lösung zu denken. Abschottungspolitik und nationalistische Rhetorik, wie sie vor allem Union und SPD vertreten, hilft weder den Geflüchteten, noch rettet es die postdemokratischen Strukturen, die in solchen Situationen einmal mehr beweisen, dass sie für die Menschen nicht mehr genug sind; es ist nur Wasser auf den Mühlen der rechtspopulistischen Agitatoren, die das allgemeine Gefühl der Hilflosigkeit beim „kleinen Mann“ katalysieren und in Hass umlenken.
Ein fortschrittlicher Ansatz zur Flüchtlingspolitik, der Menschlichkeit nicht nur als Phrase begreift und den Menschen als Chance und nicht als Hindernis sieht, könnte einen Ausweg aus der Misere anbieten. Jeder Einzelne ist notwendig, um eine funktionierende Gesellschaft zu gewährleisten; jeder Einzelne muss dazu in der Lage sein, durch Teilhabe an unserer Gesellschaft auch alle anderen Mitmenschen zu bereichern. Und wenn die Politik all die Chancen, die uns über das Mittelmeer erreichen, sieht und nutzt, wenn wir all den Menschen tatsächlich eine Perspektive bieten, unsere Gesellschaft weiterzuentwickeln und mitzuleben, dann erfüllen wir die Werte, die die europäische Idee ausmachen: Grenzenlosigkeit und friedliches Miteinander.
Die unterschiedlichen Perspektiven und Erfahrungen, die in den verschiedenen Ländern Europas miteinander auskommen, haben unsere Kultur bereits ungemein bereichert. In welchen anderen Erdregionen findet man auf so kleiner Fläche so viele unterschiedliche Weltbilder und Lebensweisen, die seit Jahrzehnten friedlich miteinander leben? Wie viele Schattierungen, Mischungen, Remixes und neue Ideen sind daraus erwachsen, dass hier Menschen mit den unterschiedlichsten Hintergründen die Möglichkeit haben, sich untereinander auszutauschen und sich neu kennenzulernen? Einer meiner Onkel hat eine Französin geheiratet, mein anderer Onkel lebt mit einer Brasilianerin zusammen. Wäre das noch vor fünfzig Jahren möglich gewesen?
Europas Reichtum sind die Menschen, die darin leben, und die kulturelle Vielfalt, die sich aus der Grenzenlosigkeit ergibt. Damit diese Menschen eine Gesellschaft formen können, die in ihrer aller Interesse ist, braucht es allerdings auch neue politische Strukturen: Es braucht die Sicherheit, dass für die Rechte eines jeden Menschen gesorgt ist, so zu leben, wie er will, und die Möglichkeit, sich untereinander austauschen zu können und schnell miteinander Lösungen für auftauchende Probleme zu finden. Wir sind alle vernetzt, die Schicksale der Menschen in einer Gesellschaft sind miteinander verbunden – und umso wichtiger ist es, dass wir als Menschheit miteinander leben.
Das Internet hat hier wie keine andere Entwicklung gezeigt, dass es problemlos möglich sein kann, dass viele Menschen aus vollkommen unterschiedlichen Ländern, die alle möglichen Sprachen sprechen, zusammen Gedanken entwickeln und arbeiten können. Diese Chancen des neuen Zeitalters können in unserem derzeitigen politischen System nicht genutzt werden – und umso frustrierter sind die Menschen, die in ihrem Alltag bereits vollkommen selbstverständlich miteinander vernetzt sind und ihre Meinungen und Ideen im Netz austauschen, wenn sie sehen, dass die Politik noch lange nicht auf dieser Ebene angekommen ist. Unsere traditionelle parlamentarische Demokratie erreicht ihre Wähler nicht mehr dort, wo ihre Lebensrealität längst angekommen ist.
Deswegen braucht es eine Politik des 21. Jahrhunderts, die die Chancen des vernetzten Zeitalters begreift und auf die Interessen der Menschen zugeht. Die Regeln der neuen Welt, die Handlungslogiken, in denen sich unser modernes Leben abspielt, beginnt, die alten Strukturen einfach zu überschreiben – und wenn wir nicht neue Strukturen schaffen, die den digitalen Kontrollverlust in humane Bahnen lenkt, stehen unserer Gesellschaft noch ganz andere Zerreißproben bevor.
Die PIRATEN stehen für eine Politik, die die Menschlichkeit zum Prinzip der vernetzten Welt machen will. Alles ist global, nur die Identifikation mit dem eigenen Volk hört bisher noch an den Landesgrenzen auf! Es sind genug Menschen an Grenzen gestorben! Für ein grenzenloses Europa!
Ansatz 1:
Ein sehr schönes Beispiel für die Ideenlosigkeit in der Asylpolitik der deutschen Regierungen findet sich in diesem kurzen Video:
Die bayerische Sozialministerin Emilia Müller unterhält sich darin mit einem Geflüchteten:
- Emilia Müller: Sind sie gut untergebracht?
- Flüchtling: Bisschen gut
- Emilia Müller: Sie wissen aber schon, dass sie wieder zurück müssen?
- Emilia Müller: Situation im Kosovo ist schwierig
- Emilia Müller: Der Staat muss mehr tun.
Zwischendurch sagt der Geflüchtete auch noch ein paar Worte, aber Emilia Müller macht nicht den Eindruck, als würde sie sich die Mühe machen, es zu verstehen, oder sich dafür zu interessieren. Warum auch? Sie ist nur hier, um ein paar Phrasen zu dreschen und die Eskalation der Debatte zu provozieren.
Ansatz 2:
Während der #marchofhope mittlerweile Österreich erreicht hat, weigern sich die Politiker der etablierten Parteien immer noch beharrlich, Lösungen für die aktuelle humanitäre Krise zu entwickeln. Stattdessen machen die politischen Eliten Deutschlands immer wieder mit groben Fehlern und Versäumnissen von sich reden.
An dieser Stelle seien Mario Czaja (CDU) – Sozialsenator in Berlin – und Joachim Herrmann (CSU) – der bayerische Innenminister – genannt.
Selbst Angela Merkel, an der bisher kein politischer Skandal haften blieb, wurde ihre Ratlosigkeit im Umgang mit Geflüchteten zum Verhängis. Diese Politiker stehen exemplarisch für das Versagen einer ganzen Kaste von Regierungspolitikern. Was mich traurig und wütend zugleich werden lässt, ist, dass die politische Situation in Deutschland im Vergleich zu vielen anderen europäischen Staaten sogar besser aussieht. Während die Bundesregierung in stetiger Untätigkeit verharrt, machen sich Länder wie Ungarn, Polen und Tschechien daran, den kleinsten gemeinsamen Nenner Europas aufzukündigen, nämlich das Versprechen freier Grenzen. Statt einen gemeinsamen menschenwürdigen Umgang mit den Geflüchteten zu suchen, bekämpfen Orban, Duda und Zeman die Flüchtenden und ziehen sich auf einen protektionistischen nationalistischen Standpunkt zurück, der eine echte Lösung der Problematik niemals wird erreichen können.
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