Beitrag von Christopher Clay erschienen auf der Bundes-Website.
Julia Reda, die Abgeordnete der Piraten im Europäischen Parlament, hat ihren Entwurf der Urheberrechts-Evaluation vorgelegt. Das für das Europaparlament geschriebene Dokument ist auf großes Interesse gestoßen. In über 120 Zeitungsartikeln wurde weltweit darüber berichtet. Unterstützungsbekundungen kamen u.a. von Bürgerrechtsorganisationen und Open-Source-Verbänden.
Auch dass Julia sämtliche Gesprächsanfragen von Lobbies veröffentlicht hat und den Bericht öffentlich online begutachten lässt, fand Gefallen in den Medien: »Von dieser Piratin könnte [Kommissionspräsident] Juncker noch einiges lernen.«
ExpertInnen sind sich einig: Julias Vorschläge, u.a. die NutzerInnenrechte im Urheberrecht europaweit zu harmonisieren und flexibilisieren und für neue Kulturpraxen wie Bildzitat und Remix fit zu machen, wären eine Kehrtwende in der Entwicklung des Urheberrechts, das bisher lediglich immer restriktiver und industriefreundlicher wurde.
Gleichzeitig gibt es aber auch heftige, widersprüchliche Kritik: Für die »Musikwoche« sind Julias Reformvorschläge »Beihilfe zur künstlerischen Vergewaltigung« – für die ehemalige schwedische EU-Abgeordnete Amelia Andersdotter gehen sie noch nicht weit genug.
Julias Bericht benötigt Mehrheiten bei der Absimmung am 16.4. im Rechtsausschuss des EU-Parlaments und danach, am 20.5., im gesamten Plenum. Erst damit wird er als offizielles Dokument des Parlaments verabschiedet. Der eigentliche Gesetzesentwurf zum neuen EU-Urheberrecht kommt von der EU-Kommission. Er wird für den Herbst erwartet und Julias Bericht, soll – als Meinung des Europäischen Parlaments – seinen Inhalt beinflussen.
Jetzt ist die richtige Zeit, sich in die Debatte einzubringen, um zu verhindern, dass der Bericht mit Änderungsanträgen verwässert wird – oder um ihn gar noch zu stärken. Julia lädt euch zu dieser Debatte ein. Wie es weiter geht, könnt ihr in ihrem Blog verfolgen: https://juliareda.eu/de/.
Die Position bzgl Urheberrechtsreform wurde von der Bundespartei mehrheitlich bestimmt. Schade dass Reda (mal wieder) Ihr eigenes Ding gemacht hat. Jetzt zu kommen und nach Mithilfe zu rufen ist der blanke Hohn. In Verhandlungen zu gehen mit einem Minimalvorschlag der weitesgehend schon eine stark verwässerte Version der Bundes-Beschlusslage darstellt ist grotesk. Schon der Entwurf bietet kaum noch piratiges. In Verhandlungen tritt man mit Maximalforderungen und durch Verhandlungen nähert man sich einem Kompromiss. Dieser Komrpomiss währe wahrscheinlich piratiger ausgefallen (der Entwurf sowieso) als das was Reda da abgeliefert hat.
Schlimmer hätte es ein Christopher Lauer (man erinnere sich an sein Urheberrecht-Reförmchen) auch nicht machen können. Ich freue mich schon darauf wenn mir auf Podien oder in Gesprächen dieser Entwurf vorgehalten wird, weil man sich gerade von Piraten mehr erhofft hätte. Bei Lauer konnte man wenigstens noch argumentieren dass ein Landeskasper aus Berlin für die Bundespartei nicht sprechen kann – was auch funktionierte. Bei Reda wird (und ist) der Schaden grösser, denn unbestreitbar süricht sie für die Bundespartei. Schlimm genug.
Da scheinst du leider den parlamentarischen Prozess und auch die Kräfteverhältnisse missverstanden zu haben:
Die Piraten stellen 0,13% des Stimmgewichts im Parlament (mit der Fraktion der Grünen/EFA 6,6%). Leider benötigt niemand Julias Zustimmung, um die notwendigen 50% zu erreichen: Von dieser “Verhandlungsposition” kann man zwar rein symbolisch Maximalforderungen vertreten, aber auf das Ergebnis haben sie keinen Einfluss.
Julias Rolle bei diesem Bericht ist eine weniger knallige, aber viel verantwortungsvollere und auf subtilere Weise einflussreichere: Sie ist offiziell vom Parlament damit betraut worden, die Urheberrechtsrichtline von 2001 zu evaluieren in einem Bericht, der am Ende für das ganze Parlament spricht.
Sie ist also gleichzeitig zur Vertreterin der Piraten und der Grünen/EFA die offizielle Berichterstatterin des gesamten Parlaments: So kann sie progressive Reformvorschläge viel eher einfließen lassen, aber nur, wenn sie Sachkenntnis, Ausgewogenheit und Diplomatie demonstriert – denn Druckmittel hat sie leider im Parlament keine, am Ende wird abgestimmt.
Das Piratenparteiprogramm als Evaluationsbericht zu präsentieren hätte sie zum Clown gemacht und ihr Möglichkeiten verbaut, auf den Reformprozess weiter Einfluss zu haben.
Aber kommen wir zum Vorwurf, “der Entwurf bietet kaum noch piratiges”. Vermutlich hast du ihn noch nicht gelesen, denn sonst wüsstest du:
Schon der erste Punkt des Piratenprogramms zum Thema, die Ablehnung von DRM, findet sich klar und umfangreich (so weitgehend, wie im Rahmen internationaler Verträge möglich) in Julias Bericht: DRM darf keine legalen Handlungen einschränken, technische Schutzmaßnahmen müssen open source sein, Tools zur Umgehung müssen verfügbar sein.
Punkt 2, das freie Kopieren und die freie Nutzung, findet sich u.A. in Form des Vorschlags einer flexiblen Ausnahme (“open norm”) im Bericht: Nicht mehr nur eine kurze und von den Mitgliedsstaaten nur optional umzusetzende Liste an Nutzungen soll legal sein, sondern alle, die die Verwertung eines Werks nicht einschränken (Im Einzelfall müssten Gerichte feststellen, auf welche Nutzungsarten das zutrifft). Ausserdem u.A. enthalten: Die Nutzung zu Bildungszwecken (auch außerhalb von klassichen Bildungsinstitutionen) ist legal, und Hyperlinks sind nie Urheberrechtsverletzungen.
Zur “Förderung der Schaffung von Werken” stellt der Bericht u.A. klar, dass Parodie immer legal sein muss, dass Zitate auch in audiovisueller Form okay sind, dass der öffentliche Raum nicht unter Urheberrechtsschutz stehen kann, und v.A. dass die Verhandlungsposition von Autor*innen gegenüber Verwertern gestärkt werden muss.
Auch die Forderung nach “der Rückführung von Werken in den öffentlichen Raum” ist stark im Bericht, mit den Forderungen nach “safeguarding the public domain” und der Reduktion der Schutzfristen auf das Minimum, das uns internationale Abkommen erlauben, also um 20 Jahre.
Dass deine Kritik so unsachlich ausfällt erweckt fast den Eindruck, du wärst gegenüber Julia als Person von Vornherein voreingenommen…
Julia Reda ist Mitglied des Europaparlaments. Sie ist keine Funktionsträgerin der Piratenpartei.
Sie spricht definitiv nicht für die Bundespartei.
Nichts verstanden von Demokratie. Die Unabhängigkeit von Abgeordneten ist integraler Bestandteil derselben.
Ein guter Punkt: Das mit den ad-hominem-Dingen lasen wir dann bitte. Ihr schafft das ohne. Oder eben nicht hier. Dankeschön 😉
Weitere Kommentare auf der Original-Website.
https://www.piratenpartei.de/2015/01/30/jetzt-seid-ihr-gefragt-die-urheberrechtsreform-fuer-europa/