Kundenwünsche, Medienbranche und digitale Geschäftsmodelle
Ein Gastbeitrag vom Sperling erschienen auf der Bundes-Website.
Über den Strukturwandel in der Medienlandschaft wurde schon viel geschrieben – wie schwer es sei im Online-Journalismus Geld zu verdienen, Werbung werde unglaublicherweise geblockt, Paywalls will ja auch keiner und überhaupt, die Nutzerkommentare, neben den Trollen muss man sich da auch noch Kritik stellen. Dabei leisten viele Anbieter gratis eine hohe Qualität und Genauigkeit in der Berichterstattung – auch bei Themen die nicht im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen.
Es gibt noch eine andere Seite
Wer aber den Rückblick über ein paar Themen der letzten Jahre macht erkennt: In der Ukraine-Krise melden die großen Blätter, das Fernsehen und das Radio fast unisono: Die bösen Russen, also die seien an allem schuld. Und der Bahnstreik, der sei ja unberechtigt; wie könne man denn da streiken – man solle verhandeln, verhandeln und verhandeln (bis das Tarifeinheitsgesetz kommt). Ach ja und die Griechen, die seien ja selber schuld und der Stinkefinger-Varoufakis, also der sei ja definitiv der Antichrist. Und wer sich erinnert, das Internet-Zensurgesetz von Zensursula Flinten-Uschi: Denkt denn da keiner an die Kinder!
Jedoch: Wer sich – als aktuelles Beispiel – die Leserkommentare zu den Artikeln zum Bahnstreik durchliest bemerkt, dass diese fast unisono FÜR den Streik und das Grundrecht des Streiks sprechen. Die zugehörigen Artikel argumentieren aber – mal offensichtlich, mal zwischen den Zeilen – gegen den Streik. Ähnliche Muster kennen wir bei der Ukrainekrise, Griechenland, …
Kann dem Sperling mal irgendeiner erklären, warum er für die guten und richtigen Inhalte zahlen soll, wenn er gleichzeitig den Eindruck hat, dass über wesentliche Vorgänge unausgewogen berichtet wird? Und dann auch noch entweder für einzelne Artikel überhöhte Preise oder den Printpreis für eine ganze digitale Zeitungsausgabe, bei der den Sperling schon auf Papier locker die Hälfte nicht interessiert hat?
Zeit für eine neue Strategie
- Keiner will Mondpreise für einzelne Artikel zahlen, schon gar nicht mehr Wochen oder Monate später. Gut, vielleicht bei »Stiftung Warentest«, aber sonst …
- Niemand zahlt online Geld für Artikel, die er nicht liest. Wenn sich dann in Lokal- oder Regionalzeitungen herausstellt, dass – zum Beispiel – die Artikel über Aktienkurse kaum einer mehr abruft – dann bedeutet dies eben: Entweder quer finanzieren oder aufgeben. Also das mit dem Angebot und der Nachfrage …
- Zu vielen Themen gibt es mindestens zwei Sichtweisen und online herrscht kein Platzmangel – es ist genug Platz für zwei Artikel die diese darstellen. Die Zeiten, als sich Ressorts um Spalten balgten sind definitiv vorbei.
- Jeder Artikel spiegelt – meistens – auch die Meinung oder Sichtweise des Autors. Daher: Eine ernsthafte Interaktion mit dem Nutzer ist heute ein absolutes Muss!
- Und Trolle, die kann und muss man ausfiltern. Ja, das kostet Arbeitskraft – aber wenn sich Geschäftsfelder transformieren gehört es eben dazu das sich Arbeitsplätze verändern; manche fallen weg, andere entstehen.
- Eine unausgewogene Berichterstattung – aus welchem Grund auch immer – schadet dem Ansehen und der Akzeptanz und ist ein Armutszeugnis.
- Persönliche Verflechtungen mit der Politik und der Wirtschaft (Stichwort »Atlantikbrücke«), die eine herrliche Erklärung für den Hintergrund der empfundenen Kampagnen abgeben, sind schlicht und einfach unseriös.
Die Medienbranche muss sich dem Wandel der Informationsgesellschaft stellen. Sonst wird der Wandel sie hinwegfegen wie Google die alten, konzeptionell analogen Suchverzeichnisse Yahoo, Lycos, Altavista usw. hinwegfegte. Und vor allem muss sie sich ernsthaft der fundierten Kritiker annehmen – verlassen sie die Filterbubble, analoge Konzepte funktionieren nicht in der digitalen Welt. Und zu diesem neuen Geschäftsumfeld gehört selbstverständlich ein reformiertes Urheber-, Urhebervertrags- und Nutzungsrecht das, neben neuen Formen der Lizenzierung, die Entmündigung der Urheber und Leser beendet. Die Piratenpartei hat als transnationale Partei diesen Wandel verinnerlicht und sucht neue Wege im Interessenausgleich zwischen Urhebern, Nutzern und Verlagen.
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